DTV-Jahreskongress: Arbeitswelt der Zukunft erfordert gemeinsames Handeln
Berlin, 20.09.2023 – Rund 250 Mitglieder, Förderer und Partner des Deutschen Textilreinigungs-Verbandes (DTV) kamen Mitte September zum DTV-Jahreskongress in Ingolstadt zusammen. Im Mittelpunkt eines der drängendsten Themen dieser Zeit: der Mangel an Fach- und Arbeitskräften. Er beschäftigt die gesamte deutsche Wirtschaft und die personalintensive Textilservicebranche nochmal in besonderer Brisanz.
Unter dem Motto „Arbeitskräftemangel contra Wachstum: Wer macht zukünftig die Arbeit?“ blickte die Textilservicebranche in Ingolstadt auf die Arbeitswelt der Zukunft. In mehreren Panels diskutierten und analysierten Expertinnen und Experten aus Wirtschaft, Forschung, Unternehmen und Beratungspraxis demographische und kulturelle Veränderungen in der Gesellschaft und deren Auswirkungen auf das Personal. Klar wurde, dass neben neuen Wegen in der Personalgewinnung und -bindung auch der Automatisierung und Roboterisierung eine wachsende Rolle zukommt.
Gemeinsame Kraftanstrengung notwendig
In Ihrer Eröffnungsrede machte DTV-Präsidentin Beate Schäfer klar, dass nicht nur Politik und Verwaltungen gefordert sind, Lösungen für die sinkende Zahl an Arbeits- und Fachkräften zu erarbeiten. Ebenso seien die Unternehmerinnen und Unternehmer gefragt, Beschäftigte zu qualifizieren und Karrierewege in der Branche aufzuzeigen.
Die Megatrends auf dem Arbeitsmarkt fasste Daniel Terzenbach vom Vorstand der Bundesagentur für Arbeit in einer Keynote zusammen. Darin wurde deutlich, dass selbst mit Zuwanderung und steigenden Erwerbsquoten das Erwerbspersonenpotenzial bis 2035 um rund 6 Prozent oder knapp 3 Millionen Personen abnehmen wird. Dieses Best-Case-Szenario erfordere allerdings bereits große Anstrengungen von Politik und Wirtschaft. In der anschließenden Paneldiskussion mit Daniel Terzenbach sowie Dirk Werner vom Institut der Deutschen Wirtschaft und DTV-Hauptgeschäftsführer Andreas Schumacher wurde diskutiert, wie im Bereich der beruflichen Bildung mehr auf Teilqualifizierungen gesetzt werden kann, um neben der klassischen 3-jährigen Ausbildung weitere Fachkräfte für die Branche zu qualifizieren. Darüber hinaus unterstrich Andreas Schumacher, dass aus Sicht der Branche, das jüngst verabschiedete Fachkräfteeinwanderungsgesetz zwar ein guter erster Schritt sei, aber es insbesondere auch Lösungen für die Zuwanderung von Arbeitskräften ohne formale Ausbildung bedürfe, um dem Arbeitskräftemangel in der Branche zu begegnen.
Menschliche Arbeitskraft durch Technologie ersetzen?
Ein weiterer Fokus der Diskussionen auf dem Jahreskongress lag auf dem Einsatz neuer Technologien, um menschliche Arbeitskraft zu ersetzen. Mehr Automatisierung und eine vielfältigere Anwendung von Robotersystemen können helfen, die sinkende Zahl von Erwerbspersonen auszugleichen. In der Diskussion mit den Maschinenherstellern Inwatec und Kannegiesser sowie dem IT-Dienstleister KooBra wurde herausgearbeitet, dass es dafür auch offener Kommunikationsschnittstellen an den Maschinen bedarf, um herstellerübergreifend innerhalb der Betriebe Prozesse entsprechend steuern zu können. Daniel Hübschmann, Leiter des Kompetenzzentrum „Robotik im Handwerk“, schilderte seine Erfahrungen aus anderen Branchen und sensibilisierte dafür, dass der Einsatz von neuen Technologien auch entsprechende Schulungen und Qualifizierungen des bestehenden Personals notwendig mache.
Der Mensch wird auch weiterhin im Mittelpunkt stehen
Einen Blick in die Zukunft warf auch die zweite Keynote-Rednerin Prof. Dr. Yasmin Weiß und plädierte in ihrem Beitrag dafür, sich vor neuen Technologien wie der künstlichen Intelligenz nicht zu scheuen. Unternehmen sollten diese sinnvoll für Produktivitätssteigerungen einsetzen, um so dem Arbeitskräftemangel zu begegnen. Das erfordere auch, Beschäftigte dafür zu sensibilisieren, mit diesen Technologien zusammenzuarbeiten. Gleichzeitig machte Frau Prof. Dr. Weiß jedoch deutlich, dass Menschlichkeit als zentraler Erfolgsfaktor im Wettbewerb um Mitarbeiter und Kunden an Bedeutung zunehmen wird. Denn zwischenmenschliche Kontakte würden in einer immer weiter technologisierten Welt immer rarer. Hier könne insbesondere der Mittelstand punkten.
Zu einem ähnlichen Ergebnis kam das Diskussionspanel rund um DTV-Präsidentin Beate Schäfer. Sie tauschte sich mit Prof. Dr. Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, Laura Jorde von den Wirtschaftsjunioren sowie Larissa Klemme von der Bertelsmann Stiftung darüber aus, welche Fähigkeiten Arbeitnehmer*innen und Arbeitgeber*innen künftig brauchen. Im Ergebnis wurden Anpassungsfähigkeit und Lernbereitschaft als überfachliche Kompetenzen herausgearbeitet, die Arbeitnehmer*innen benötigen, um immer wieder neue fachliche Kompetenzen, z. B. KI-Skills, lernen zu können. Um als Arbeitgeber attraktiv zu sein, sei zudem insbesondere wertschätzendes Verhalten gegenüber den Beschäftigten wichtig. Etwa indem sie einbezogen werden und ihnen Perspektiven durch flexible Weiterbildung und Aufstiegschancen aufgezeigt werden.
Neue Wege in der Arbeitskräftegewinnung
Niklas Klein von der Marketingagentur SocialMate sowie Niklas Waßmann von der Handwerkskammer Erfurt und Martin Walter von dem Beratungsprojekt „Tür an Tür Integrationsprojekte gGmbH“ zeigten in ihren Impulsen auf, welche kreativen Wege bereits heute in der Arbeitskräftegewinnung beschritten werden können. Niklas Klein berichtete, dass den Onlinekanälen in der Ansprache potenzieller Beschäftigter eine wachsende Rolle zukomme, viele Unternehmen dies jedoch noch nicht mit einer zielgerichteten Strategie angingen, um nachhaltigen Erfolg sicherzustellen.
Niklas Waßmann und Martin Walter machten deutlich, dass auch für den Mittelstand Möglichkeiten bestehen, Auszubildende und Fachkräfte im Ausland zu rekrutieren. Entsprechende Unterstützungsangebote bspw. bei Handwerkskammern gebe es bundesweit. Diese Angebote sollten unbedingt genutzt werden, da bei der Vielzahl involvierter Behörden und Verwaltungen einige Fallstricke in der praktischen Umsetzung liegen. Simone Stanic vom Arbeitgeberservice der Agentur für Arbeit konnte in Ihrem Beitrag zudem auf Förderprogramme hinweisen, die bislang nur in unzureichendem Maße vom Mittelstand genutzt würden.
Networking kam nicht zu kurz
In den Programmpausen und während eines geselligen Oktoberfestes – mitsamt Fassbier-Anschlag durch die Präsidentin Beate Schäfer – gab es darüber hinaus reichlich Platz für den kollegialen Austausch.
Der nächste Jahreskongress wird im kommenden Jahr erstmalig gemeinsam mit der Gütegemeinschaft sachgemäße Wäschepflege durchgeführt. Das gemeinsame Branchentreffen wird vom 18. bis 20. September 2024 in Frankfurt am Main stattfinden.